Musikwochenende in Grafenegg (30. und 31. August 2025)
- Silvia Matras
- 3. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 2 Tagen

August 2025
NDR Elbphilharmonie Orchester: Anna Clyne, Max Bruch und Modest Mussorgski. Dirigent: Alan Gilbert
Anna Clyne: "Restles Oceans für Orchester" (2018)
Nicht von Ungefähr erinnert der Titel an die Krankheit "restless legs". Denn die Musiker stampfen während des Spiels den Takt mit den Füßen mit. Dazu summen sie leise eine chorhafte Hintergrundmelodie. Es klingt, als führe ein Zug los, der die summenden Frauen des Orchesters mitnimmt auf eine Reise. Das circa 8-minütige Stück ist kraftvoll, zackig, aufregend und heftig. Anna Clyne (geb. 1980 in London) widmet es der "Kraft der Frauen", inspiriert von dem Gedicht von Audre Lorde,in dem sich die Autorin für die Frauenrechte einsetzt.
Max Bruch, Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 g-Moll. Violine: Marina Duenas
Dass Max Bruch sein berühmtes Violinkonzert verfluchte, ist hinlänglich bekannt. Warum man immer nur dieses Werk spiele, er habe viel Besseres komponiert, soll er immer wieder geklagt haben. Also, warum wieder Max Bruch an diesem Abend? Wohl, weil es ein "Renner" ist, der die Säle füllt. Und weil das Stück eine Herausforderung an den Instrumentalisten ist. Eine Herausforderung, die Marina Duenas liebt. Ihr Spiel ist virtuos, rasant, perfek, routiniert. Vielleicht auch zu perfekt, zu sehr dem klassischen Klang untergeordnet. Erst bei der Zugabe des "Valse triste" von Franz von Vecsey wagt sie, persönliche Farbe zu bekennen.
Modest Mussorgski, Bilder einer Ausstellung (1874). Instrumentierung Maurice Ravel (1922)
Auch dieses Stück ist ein Publikumsmagnet, besonders in der Bearbeitung von Ravel. Vorlage für diese "musikalische Bildbeschreibung" waren für Modest Mussorgski die Bilder seines Malerfreundes Viktor Hartmann.
Ravel lädt die Besucher mit Trompetenklang in die Ausstellung ein, die sogleich vom "Gnomus" umklungen werden. Diese dunkle Gestalt kündigt sich mit Trommelschlägen, Harfenklängen an, unterlegt von Streichern. Zur Beruhigung lässt Ravel die Besucher zwischen den Sälen/ Motiven "promenieren" und führt sie zum alten Schloss, weiter in die Tuilerien bis zu dem bekannten Motiv der Hühner und dem stolzen Hahn. All diese Bilder spielt das Orchester routiniert in die Ohren des Publikums hinein. Man folgt von Bild zu Bild, bis schließlich sich die mächtigen Pforten des Tores von Kiev auftun.
Dirigent und Orchester belohnten sich und das Publikum mit dem "Sommerpsalm" von Waldemar Ahlén.
Matinée am 31.08 2025: Juan Diego Floréz, am Klavier: Cécile Restier
Eine Matinée, wie selten! Voller Einsatz und Sangesfreude bei Diego Floréz, volle Begeisterung beim Publikum! Der Tenor war nicht wiederzuerkennen - keine schrillen, harten Höhen, sondern müheloser Registerwechsel vom hohen C forte zu hohem C piano, pianissimo. Und das zwei Stunden ! Mit zahllosen Zugaben.
Das Programm ist klug konzipiert - Floréz beginnt in seinem "Stammrevier" - Rossini, Bellini und Donizetti. Gleich zu Beginn fordert Rossinis Klage des Waldgottes Sylvain die Stimme voll heraus. Beeindruckend, wie gekonnt Floréz diesen "Kunstschmerz" hinüberbringt: Haarscharf zwischen künstlichem Leid und erlittenem, nachvollziehbarem Schmerz. Aus dem Lied wird eine Minioper. In "La ricordanza" (Die Erinnerung) von Vincenzo Bellini beweist Floréz seinen mühelosen Registerwechsel von der Tiefe in die lyrische Höhe. Schmerzvolle Erinnerung, innig gesungen! Mit der Arie aus "Roberto Devrieux" (Gaetano Donizetti) betritt er die Opernbühne und singt Robertos Opferlied mit großer Innigkeit.
Die Stimme perlt und sonnt sich in bekannten Zarzuelas wie "Bella enamorada". Die samtige Innigkeit, mit der Floréz die letzte Strophe (Noche de amor) singt, ist wohl schwer zu überbieten. Als ein wahres Gustostückerl für die Stimme erweist sich die Arie "Puisqu`on ne peut fléchir..Vainemment, ma bien aimée.." aus der Oper "Le Roi D´Ys" von Edouard Lalo. Mit feinem Falsett "Hélas ! Mourir" endet diese kostbare Miniatur. Nach der berührenden Arie des El Cid (aus der gleichnamigen Oper von Jules Massenet) naht das vorläufige Ende mit zwei berühmten Arien aus "Roméo et Juliette": "L´amour, l´amour!" .. und "Ah! lève toi , soleil". Danach große Überraschung: Rudolf Buchbinder setzt sich ans Klavier und begleitet Floréz bei seiner offiziell letzten Arie "Che gelida manina" aus Puccinis "La Bohème". Buchbinder dazu:
"Es war schon immer mein Traum, Tenor zu werden, daraus wurde bekanntlich nichts. Aber für eine Klavierbegleitung reicht es", meint er witzig-ironisch.
Was dann folgt, ist ein eigenes Konzert - die berühmten Zugaben lassen die Herzen nochmals hoch schlagen und die Hände glühend rot werden. Wie immer griff Floréz zur Gitarre und sang unter anderem "Cucurrucucù Paloma", "Amor de mio amores" u.andere. am Ende wurde es nochmals opernhaft: Mit "Una furtiva lagrima" (Donizetti, L`elisir d`amore") begeisterte er die Opernfans. Das obligatorische Schlusslied:"Granada" durfte natürlich nicht fehlen. Das Publikum bedankte sich lange, mit ausführlichem Applaus und standing ovations nicht nur bei Floréz, sondern auch Cécile Restier, die ihn einfühlsam am Klavier begleitet hatte.
Abendkonzert 31. 08. 2025, Orchestre Philharmonique de Radio France: Edward Elgar, Claude Debussy und Maurice Ravel. Dirigentin: Mirga Grazinytè-Tyla
Die große Überraschung des Abends war die junge Dirigentin aus Litauen. Sie dirigierte grazil, sehr weiblich, aber exakt, entschlossen und präzise. Das Konzert für "Violoncello und Orchester in e-Moll" von Edward Elgar wurde zu einem zarten Abschiedsgesang, feinfühlig von ihr dirigiert. Julia Hagen spielte die Cellopartie mit tiefem Gefühl und perfektem Können. Die Zugabe (Bachsuite für Violoncello Nr.1) war ein stilles Einhalten.
Bei Claude Debussys "La Mer" ließ die Dirigentin das Orchester in Meereswellen schwelgen, manchmal in großen Wogen, dann wieder in kleinen spitzen Pizzicatospritzern.
Als Abschluss der Publikumshit: "Bolero" von Ravel. Spannend von Beginn an - Mirga Grazinyté-Tyla hielt das Orchester lange "flach", baute die Geschwindigkeit in den 18 Durchgängen mit den langsamen 16 Takten spannungsgeladen auf bis zum fulminanten Ende.
Langer Apllaus, der mit der Zugabe von Lili Boulanger, "Un Matin de printemps" belohnt wurde.